Olympia 1972 in München – Katalysator der Stadtentwicklung

Die wesentlichen städtebaulichen Projekte im Kontext der Olympischen Spiele:
  • Eine Fußgängerzone im Herzen der Stadt,
  • ein neues öffentliches Verkehrssystem, das mittels U- und S-Bahnen Stadtteile und Vorstädte verbindet,
  • der Ausbau des Altstadtrings und Mittleren Rings
  • Olympiapark mit den Sportstätten.

Der Zuschlag im Jahr 1966 für die Olympischen Spiele 1972 in München sollte auch für Münchens Innenstadt tiefgreifende städtebauliche Veränderungen nach sich ziehen.
Die Modernisierungsprojekte für die Innenstadt wurden unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans-Jochen Vogel umgesetzt.
Manche Pläne jedoch riefen Proteste in der Bürgerschaft hervor und wurden aufgegeben.

Die (geplante) Führung der MVHS am 29.09.2022

Rathaus

Sommer 1965: Daume besucht Vogel und schlägt Olympische Spiele in München vor. Nach Zögern entscheidet München, sich zu bewerben und reicht ein halbes Jahr später seine Bewerbung ein. Der Zuschlag erfolgt 1966

Danach waren 6 Jahre Zeit für den Bau der Sportanlagen und der Infrastruktur.

Sportstätten und Infrastruktur

In nur 6 Jahren (!) mussten die olympischen Sportstätten
und die notwendige Infrastruktur für die Spiele geplant
und gebaut werden.

Wir schauen uns heute die Infrastruktur an – zumindest Teile davon:

  • Den S-Bahn-Tunnel
  • Die erste U-Bahn-Linie
  • Die Fußgängerzone
  • Den Altstadtring

Wie konnte das in so kurzer Zeit
gelingen? Wer konnte das bezahlen?

100 Millionen Münzen wurden verkauft – 750 Millionen D-Mark haben sie erbracht.

Stadtentwicklungsplan 1963

Ohne den 3 Jahre zuvor beschlossenen Stadtentwicklungsplan wäre die für die Spiele notwendige Infrastruktur nicht möglich gewesen. Die Pläne für U- und S-Bahn lagen in der Schublade.

Investitionsplanungs- und Olympia-Amt beim Oberbürgermeister (Direktorium)

Eingerichtet im Herbst 1966, hat es alle Vorbereitungen für die Spiele koordiniert. Wegen der engen Verknüpfung der Spiele mit den Zielen der Stadtentwicklung war es kein Zufall, dass dieses Amt die Keimzelle des späteren Stadtentwicklungsreferates wurde. Die Verbindung von Investitionsplanung, Stadtforschung und Stadtentwicklung hat der Leiter des Amtes, Hubert Abreß, in einem Papier so formuliert:

Investitionsprgrammierung und -kontrolle erfordern eine aufgabenmäßige und organisatorische Verbindung mit der Stadtforschung und damit letztlich auch mit der Funktion der Stadtentwicklung. …

Stadtentwicklung umfaßt die gesamte Breite der Stadtentwicklung …

Die Umsetzung der Ordnungs- und Leitvorstellungen in die Flächennutzung ist nur einer der vielen Vollzugsaspekte.
Die
Stadtentwicklung umfaßt die übergeordnete Erarbeitung des konkreten Leitbilds der Stadt von Morgen als Grundlage für die ständige Fortschreibung und die Bündelung der Investitionspläne und ist damit das Ergebnis einer Gesamtschau unter allen berührten sachlichen Gesichtspunkten.

S- und U-Bahn Planung 1963

Beispiel S-Bahn – Diskussion von Alternativen

Interessant: für die S-Bahn wurden zunächst Alternativen diskutiert – eine Unterpflaster-Straßenbahn!

„München wird moderner“

… war das Motto für die gewaltigen Bauvorhaben in der Innenstadt mit

  • Bau des S-Bahn-Tunnels (900 Mio DM)
  • Bau der ersten U-Bahnlinie
  • Einrichtung der Fußgängerzone

Diese Vorhaben kulminierten am Marienplatz!

Marienplatz in den 60ies

 

So sah es am Marienplatz aus, bevor mit dem Bau von U- und S-Bahn begonnen wurde. Und hier sieht man das Verkehrsgeschehen im Jahre 1924 in einem sehr schönen Film des Stadtmuseums: https://www.trambahn.de/marienplatz
(dies ist eine sehr lange Seite – etwa auf 1/3 nach unten ist der Film zu sehen)

U- und S-Bahnhof Marienplatz

Baustelle Marienplatz

Fußgängerzone

Die erste Fußgängerzone dieser Größenordnung in Deutschland wurd am 30. Juni 1972 eröffnet.

Verkehrswende 1972
 

 

 

S-Bahn – Fahrgäste

Prognose 240.000 / Tag

1972 aber 430.000 / Tag

heute bis zu 950.000 / Tag

 

Ölpreisschock 1973 und autofreie Sonntage

Der Ölpreis stieg in nur zwei Jahren, 1973 / 74, um 140 %

Olympiapark und Sportstätten

Der Olympiapark war der zweite große Park für München – nach dem Englischen Garten, der Anfang des 19 Jh. geplant und angelegt wurde. Zusammen mit den Sportstätten hat er zu einer nachhaltigen Aufwertung des bis dahin eher wenig attraktiven Münchner Nordens geführt und ist bis heute ein Ausflugsziel für alle Münchner und seine Touristen.

Straßenbau – Altstadtring und Mittlerer Ring –
auch das war Teil des StEPlans 1963

Das war von amerikanischem Zuschnitt! Die amerikanischen Kollegen haben das dann auch so gebaut – siehe Los Angeles ff.

In München kam es nicht ganz so schlimm, doch zur Olympiade wurden immerhin die ersten Vorzeigebauten realisiert, z.B. der NW-Abschnitt des Mittleren Rings am Olympiagelände.

Die Pläne für den Altstadtring

Eine der Planalternativen für den Altstadtring NO im StEPl 1963
Links oben die Karte mit den rot markierten notwendigen Gebäudeabrissen.

Auch mit dem Bau des Altstadtrings wurde für die Olympischen Spiele begonnen. Die Planungen dafür stehen in direktem Zusammenhang mit dem U- und S-Bahnsystem und der Einrichtung der Fußgängerzone. Noch im StEPl von 1963 war er als kreuzungsfreie Schnellstraße geplant. Wie massiv diese Straßenplanung in die Stadtsubstanz hätte eingreifen sollen, zeigt die Planskizze links oben. Der Tunnel unter dem Prinz-Carl-Palais ist ein Zeuge dieser ursprünglichen Planung.


Exkurs

Meitinger-Plan 1945

Die Pläne für den Altstadtring reichen zurück auf den Planentwurf von Stadbautrat Karl Meitinger von 1945, in dem er einerseits einen an der Tradition orientierten Wiederaufbau der Innenstadt vorschlug, zum anderen aber dem Autoverkehr einen Ring um die Altstadt bieten wollte, den er als Verkehrs- und Parkring bezeichnete.

Während die Trasse des vorgeschlagenen Rings auf seiner Westseite entlang der Sonnenstraße und des Maximiliansplatzes – also bereits vorhandenen Straßen und Freiflächen – führte, sollte sie auf seiner Ostseite eine neue Schneise durch dicht bebaute Stadtquartiere schlagen.

Generalplan Ludwig von Sckell 1809

Die ‚asymetrische‘ Entwicklung von westlichem und östlichen Altstadtrand hatte ihre Ursache im frühen 19. Jahrhundert. Der damalige Hofbaurat Ludwig von Sckell – Planer des Englischen Gartens und der Maxvorstadt – begann im Auftrag von König Max-Joseph mit einer ‚Generalplanung‘, die  für das Festungsgelände großzügige Promenaden mit Alleen und Rasenplätze vorsah und die im Zuge der heutigen Sonnenstraße und des Maximiliansplatzes auch geschaffen wurden.

 

Man hätte vermuten können, dass er diese Ideen auch für den östlichen Abschnitt des Festungsgeländes realisieren wollte, doch Ludwig I., der Sohn Max-Josephs hatte andere Prioritäten: er engagierte Leo von Klenze als neuen Hofbaurat und konzentrierte seine urbanistischen Aktivitäten auf die neue Achse Ludwigstraße und den Ausbau der Maxvorstadt zum Museumsquartier.


Altstadtring Nordost

Mit dem Stadtentwicklungsplan 1963 wurden die Pläne für den Altstadtring konkreter:

Doch erst die Aufstellung des Bebaungsplans im Jahre 1967 – mit ihm wurde das Baurecht für diesen Straßenabschnitt geschaffen – machte die Planung des Altstadtrings in ihren Folgen auch für die Bürger sichtbar. Es gab den ersten großen Bürgerprotest nach dem Krieg, der die weitere Stadtentwicklung nachhaltig prägen sollte: die Bürger konnten den Bau des Altstadtrings im Abschnitt Nordost zwar nicht aufhalten, doch in der Folge hat sich die Verkehrspolitik der Stadt schrittweise grundlegend geändert und vor allem bekamen die Bürger das Recht zur frühzeitigen Beteiligung an der Stadtplanung, das sogar im Baugesetz des Bundes (heute Baugesetzbuch) gesichert wurde.

Für München bedeutete dies eine erste Verkehrswende, mit der sich die Stadt vom Leitbild der autogerechten Stadt verabschiedete.